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Lieferketten auf dem Prüfstand

Meldung

26.11.2020: Lieferketten auf dem Prüfstand

Chancen und Grenzen der Globalisierung

In vielen mittelständischen Unternehmen aus Bonn und dem Rhein/Sieg-Kreis hat die Corona-Krise Stärken und Schwächen der bisherigen Lieferketten deutlich gemacht. Einige Firmen bauen nun Kontakte zu neuen Lieferanten auf, setzen verstärkt auf eigene Ressourcen oder erhöhen ihre Lagerbestände vor Ort. Fünf Unternehmer aus der Region stellen ihre Erfahrungen und Lösungsansätze vor.

Fast ein Jahr nach dem ersten Corona-Ausbruch in China ist an den meisten Grenzen eine „Neue Normalität“ eingekehrt. Die Luftfracht hat zwar lange noch nicht den Stand von 2019 erreicht, kommt aber wieder in Schwung. Und auch die Liefereng-pässe für Bauteile und Produkte sind im Großen und Ganzen behoben. Dennoch erwarten vier von fünf deutschen Betrieben für das Gesamtjahr einen Umsatzrückgang. Das zeigt eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) von Ende Juni. 

Die Hälfte der befragten Unternehmen hat schon damals erst für das kommende Jahr mit einer Rückkehr zur Normalität gerechnet. Bei deutschen Unternehmen mit Sitz im Ausland sind es laut einer Sonderumfrage der Auslandshandelskammer „AHK World Business Outlook“ im Juli sogar 93 Prozent. (www.ihk-bonn.de/international/laender-und-maerkte | Webcode @2248). Zwar hat sich die Lage schon gebessert: Im April meldeten 45 Prozent der Unternehmen Probleme mit den Lieferketten, im Juli nur noch 29 Prozent. Dennoch machten sich von Februar bis Juli knapp 40 Prozent auf die Suche nach neuen Lieferanten.

Neue Lieferanten - in manchen Branchen geht das nicht

Für die TGE Marine Gas Engineering GmbH aus Bonn-Hochkreuz ist das oftmals keine Option. Die Firma liefert beispielsweise deutschen Stahl nach China, wo daraus Ethylen-Tanks für riesige Schiffe gebaut werden. Für diesen Stahl gelten höchste Anforderungen in Qualität und Sicherheit. Dafür gibt es nicht beliebig viele Hersteller. Ein Wechsel kommt also gar nicht in Frage, ein Rückbau der Globalisierung ist in dieser Branche oftmals nicht möglich. 

Auch die Ingenieursleistung für die Tanks kommt aus Deutschland, von Teams, die den Bau vor Ort in Asien in den entscheidenden Phasen begleiten. 100 Mitarbeiter arbeiten bei TGE in Bonn, 20 in China, ein steter Austausch ist sehr wichtig. Für Unternehmenschef Jan Volkert Wibel keine leichte Situation: „Da sind natürlich in letzter Zeit sehr viele Reisen abgesagt worden. Unsere Kunden vor Ort warten aber in den Werften darauf, dass es weiter geht. Und jeder Tag, den so große Schiffe dort warten, kostet Unsummen.“

Entsprechend fliegen die Mitarbeiter*innen sobald als möglich los – und müssen in China und anderen Ländern je zwei Wochen in Quarantäne. Wer dafür und für die wesentlich teureren Flüge aufkommt, steht bisher in den Sternen. „Wir müssen zunächst dafür sorgen, dass es vor Ort weiter geht; die Kosten schauen wir uns hinterher noch einmal an und müssen dann in Verhandlung mit den Auftraggebern gehen“, so Wibel weiter. 

Das gilt natürlich auch für die Transportwege der Güter, die während des internationalen Shutdown stark eingeschränkt waren. Waren, die mit dem Flugzeug in einer Woche ans Ziel kommen, brauchen per Schiff rund sechs Wochen. Auch hier bleibt TGE-Chef Wibel pragmatisch: Hauptsache, es kommt an. Aber die Kosten drücken auf’s Budget, und der Druck wird von Firma zu Firma weitergegeben, die ganze Lieferkette entlang.

Ein Tankbauer in China, Subunternehmer von TGE Marine Gas Engineering, musste sein Unternehmen wegen Corona vorübergehend schließen. Die Bonner Firma führt daraufhin die Diskussion mit dem Kunden, dessen Verständnis für die Bauverzögerung äußerst begrenzt ist. „Wir haben daraufhin die Höhere Gewalt-Klausel aus dem Vertrag geltend gemacht. Aber da stand natürlich nicht explizit drin, dass sie auch für Pandemien gilt“, so TGE-Geschäftsführer Ulrich Menninghaus.

Er habe daraufhin sehr viele Beweise sammeln müssen, dass die Firma alles ihr Mögliche unternommen hat, um den Vertrag zu erfüllen. Die Bescheinigung einer Eigenerklärung durch die IHK Bonn/Rhein-Sieg sollte dabei helfen, den Kunden zum Einlenken zu bringen. Auch mit ihm steht die Abrechnung noch aus. Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen arbeitet die Bonner TGE nun um, insbesondere in Hinblick auf die Höhere Gewalt-Klausel. 

Flexibel bleiben ist die halbe Miete

Sabine Lippert aus Sankt Augustin erfährt zwar auch viel Druck, kann ihn aber nicht weitergeben. Die Solo-Unternehmerin handelt mit Perlen und mit Anleitungen, wie man sie zu wunderschönen Schmuckstücken zusammenfädeln kann. „Trytobead“ heißt Ihr Online-Handel, was so viel heißt wie „Versuch es mal mit Perlen“. 

Ihr Haupt-Absatzmarkt ist in den USA, aber der Postweg für Pakete aus Deutschland dorthin war seit dem Ausbruch der Corona-Krise für lange Zeit zum Erliegen gekommen. „Statt 7,20 Euro sollte ich von März bis Ende September 30 Euro Versandkosten für ein Paket bezahlen“, sagt sie.  Aus England oder den Niederlanden habe man zur selben Zeit verrückterweise problemlos Pakete in die USA schicken können. Nur eben nicht aus Deutschland. Hier gab es Luftfracht nur für Premium-Pakete, und die hatten eben ihren Preis: „Ein klarer Wettbewerbs-Nachteil!“ Wäre Sabine Lippert nicht so eine findige Frau: Es hätte das Aus für ihr Unternehmen bedeuten können. 

So aber hält sie ihre Kundinnen in den Vereinigten Staaten mit Facebook-Posts und Online-Seminaren bei Laune. Ein Perlen-Paket mit entsprechen-den Anleitungen hatte sie kurz vor dem Shutdown noch nach Kalifornien geschickt. Und die befreundete Händlerin vor Ort konnte die Einzelpäckchen dort verkaufen. Die Bezahlung funktionierte über Paypal. 

Aber nicht nur die Postwege, auch ihr Job als Handarbeits-Dozentin hat sich stark verändert. „Die Perlenwelt ist ein Dorf. Jeder kennt jeden, man trifft sich auf Messen und bei Seminaren. Das ist seit März vorbei. Und jeder musste gucken, wie er sich neu aufstellt.“

Sabine Lippert hat als erste Anbieterin in Europa Online-Seminare angeboten. Das erste sei wie eine Sturzgeburt gewesen, denn eigentlich wurde sie in Kalifornien zu einem Workshop erwartet. „Meine Inhalte online zu vermitteln, fühlte sich beim ersten Mal sehr chaotisch an und wir haben viel gelacht. Beim nächsten Mal war es schon besser, und mittlerweile bin ich Profi.“ 

Mittlerweile blickt sie für Trytobead wieder zuversichtlich in die Zukunft. Denn ihre Kundinnen in den USA haben in Zeiten von „social distancing“ jede Menge Zeit für Perlen, der Markt boomt. Der Nachschub über ihre Lieferkette aus Tschechien, Japan und Österreich funktioniert überraschend gut. „Noch“, sagt Sabine Lippert, denn sie hat sich in den vergangenen Monaten angewöhnt, mit allem zu rechnen. Aber dass der Postweg in die USA wieder frei ist, das erleichtert sie doch ungemein.

Pharmabranche mit starken Zuwächsen

Einen boomenden Markt hat auch die Firma Krewel Meuselbach aus Eitorf in den vergangenen Monaten erlebt. Das Pharma-Unternehmen entwickelt und vertreibt vor allem Medikamente gegen Erkältung und konnte im Frühling eine hohe Nachfrage verzeichnen. 

Der Nachschub an reinem Alkohol (Ethanol), eine der Grundsubstanzen vieler Medikamente geriet aber ins Stocken. Grund dafür war zum einen die hohe Nachfrage nach Desinfektionsmitteln, zum anderen die Tatsache, dass es europaweit nur wenige Anbieter für Ethanol gibt. Gut für Krewel Meuselbach: Im vergangenen Jahr hatte die Firma die Lagerbestände deutlich aufgestockt, weil sich die regulatorischen Rahmenbedingungen für ihren Absatzmarkt in Russland geändert haben. 

Während der Export der Produkte in insgesamt über 50 Länder erfolgt, bezieht sich der Import der Bestandteile hauptsächlich auf Deutschland und Europa. „Mit der jetzt erhöhten Lagerhaltung fühlen wir uns für die Zukunft gut aufgestellt“, sagt Geschäftsführer Thomas Quadt. Auch beim Verkauf der Produkte in Zukunft mehr auf Deutschland und Europa zu setzen, ist für ihn aber keine Option: „Es hilft uns nichts, als Exportnation Deutschland zurück zu protektionistischen Zügen zu kommen. Wir müssen den weltweiten Handel aufrechterhalten.“ Und, so seine Erfahrung, die Lieferungen ins Ausland funktionieren.

Die Kommunikation läuft per Video-Konferenz oder per Mail. Statt der 50 Dienstreisen im vergangenen Jahr seien es in diesem erst fünf gewesen. Die Messen, die persönlichen Kontakte mit den Kunden, das fehle zwar schon, so der Geschäftsführer. Aber da müsse man halt flexibel bleiben.

Die Geschäfte im Ausland florieren unterdessen. In Russland und weiteren Ländern hat Krewel Meuselbach seit langem eigene Niederlassungen oder ist Kooperationen mit Partner-Firmen eingegangen. Allein in Russland arbeiten über 30 Leute für die Firma. Viele sind mit Ausbruch der Corona-Krise in ihre ländlichen Datschen gezogen und konnten von dort aus gut weiterarbeiten, erzählt Markus Weigelt, Vertriebsleiter für die Russland-Geschäfte in Eitorf. Da Russland in Sachen Digitalisierung und Homeoffice schon wesentlich weiter sei als Deutschland, sei das kein Problem gewesen. 

Und auch für die rund 160 Mitarbeiter in Deutschland waren genügend Geräte vorhanden, um die Arbeitsweise den neu geltenden Sicherheits-Standards schnell anzupassen. Für die fertigen Produkte hat die Firma – ebenfalls digital – ein Monitoring: So ist zu jeder Zeit ersichtlich, ob genügend Ware in den Regalen ist.

Wertschöpfung zurückholen

Die Servona GmbH in Troisdorf stand beim Ausbruch von Covid-19 vor zwei großen Problemen: Mehr als 10.000 Bestandspatienten in Deutschland zu versorgen und einen massiven Rückgang von Neupatienten zu verkraften, weil geplante Operationen in den Krankenhäusern abgesagt wurden. 

Die Firma ist ein Home-Care-Unternehmen, das nicht nur Komplettanbieter für Hilfsmittelversorgungen ist, sondern auch hochwertige Medizinprodukte herstellt. Servona versorgt Patienten mit Luftröhrenschnitt, schlecht heilenden Wunden oder mit künstlichem Darmausgang. Die Firma bietet aber auch Orthopädie- und Rehatechnik an. 

Neben diesen Versorgungsbereichen vertreibt Servona Beatmungsgeräte, die von einem Tochterunternehmen in Schwerin hergestellt werden. Dieser Geschäftszweig hat sich während der Pandemie vom Volumen her verdreifacht. Aus vielen europäischen Ländern kamen dringende Anfragen, und sogar für Brasilien, Indien und Kenia hat die Firma mit ihren rund 500 Mitarbeitern vorübergehende Zulassungen bekommen. Was sonst Jahre dauert, war nun binnen Wochen möglich. 

Um alle Bestandskunden und möglichst viele Anfragen bedienen zu können, hat Geschäftsführer Jörg Riemann alle Hebel in Bewegung gesetzt: „Ich habe jeden Tag mehrere Stunden telefoniert, um unsere Lieferketten sicherzustellen. In Schlüsselkomponenten sind wir in einem hohen Maß von China abhängig. Dort haben wir aber Gott sei Dank eigene Niederlassungen, sodass die Kollegen uns unterstützen konnten.“ 

Da Lieferungen per Luftfracht über Wochen ausgeschlossen waren, hat Riemann kurzerhand Eisenbahnwaggons gechartert. Die Züge fuhren dann von China aus direkt in den Duisburger Hafen. 

Allerdings waren diese Strecken hoffnungslos überlastet, sodass die Züge immer Verspätung hatten. „Einmal war es so dringend, dass wir einen Mitarbeiter nach Polen geschickt haben, wo er für unser Werk in Schwerin Komponenten aus dem Zug geholt und direkt zur Fertigung gefahren hat“, erinnert sich Riemann. 

Mittlerweile seien die Zeiten wieder etwas ruhiger geworden. Seine Lehren aus der turbulenten Phase: „Wir werden unsere Bevorratungs-Strategie überdenken und auf jeden Fall höhere Lagerbestände aufbauen. Für die Schlüssel-komponenten haben wir außerdem alternative Quellen gesucht. Und wir möchten in Zukunft wieder mehr im eigenen Haus produzieren, die Wertschöpfung zurückholen.“ Seit die Firma 2002 eine eigene Niederlassung in China aufgebaut hat, werden einige Bauteile dort hergestellt. 

Für kritische Komponenten wie zum Beispiel Steuerungsventile und Drucksensoren gebe es allerdings nur wenige Hersteller weltweit. Als die Nachfrage im Frühling am größten war, gab es viele Betrüger im Netz, die von verzweifelten Anrufern Vorkasse verlangten für Ware, die es gar nicht gab. Von solchen Zuständen möchte sich Riemann in Zukunft unabhängig machen.

Denn was die Beatmungsgeräte betrifft, zählt nur die langfristige Ausrichtung. Und selbst wenn die Zulassungen in den Schwellenländern auf zwölf Monate begrenzt sind, hat die Firma jetzt einen Fuß in der Tür und wird Lieferantenverträge ab-schließen können. Denn dass die Krise uns noch eine ganze Weile begleiten wird, da ist sich der Servona-Geschäftsführer sicher. 

IHK: Beratung zu neuen Absatzmärkten

Globalisierung, Deglobalisierung oder schlicht: Wandel der Lieferketten? Für viele Unternehmen geht es zurzeit darum, neue Produktions- und Absatzmärkte zu suchen und zu sichern. Beratung zum Eintritt in neue Märkte bekommen sie bei der IHK Bonn/Rhein-Sieg. Die Experten der Abteilung International infor-mieren regelmäßig zu Geschäftschancen in Industrie- und Schwellenländern (https://www.ihk-bonn.de/international/geschaeftsanbahnung).

Sie werden verstärkt durch einen „EZ-Scout“, der passgenau zu Themen der Entwicklungszusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern berät. Ob das der Textilsektor in Kambodscha, die Elektronikbranche in Vietnam oder der Stromsektor in Senegal ist. Wie findet man die richtigen Geschäftskontakte oder Kooperationspartner, wie die Informationen für den Zugang zu neuen Absatzmärkten, welche finanziellen Mittel kann man vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung oder anderen Geberinstitutionen bekommen?

Für Bonn (und Köln) ist Nicole Glorian von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) an die IHK entsandt, um interessierte Unternehmen zu beraten und zu vernetzen. 

Rückbesinnung auf die Europäische Union

Auch die RECY TECH FILTER GmbH aus Lohmar hat sich im laufenden Jahr neue Märkte erschlossen. Seit Beginn der Corona-Krise konnte die Firma ihren Umsatz deutlich steigern. RECY TECH konzipiert und vertreibt Filter für Luft- und Klimatechnik. Die Filter werden auch im Arbeits- und Gesundheitsschutz, in Krankenhäusern und für viele Anwendungen eingesetzt. 

Nun sind Lüftungen mit Spezialfiltern auch für andere Kunden hochinteressant geworden, denn durch besondere Techniken können manche dieser Anlagen Viren aus der Luft filtern. Was neue Strategien betrifft, hatte RECY TECH zu Beginn der Corona-Krise einen entscheidenden Vorteil vor anderen Wettbewerbern: Firmengründer Rüdiger Ulraum und seine Kollegen haben nämlich schon während der Brexit-Verhandlungen einiges verändert. Sie haben alternative Lieferanten gesucht und diese parallel zu den bestehenden Verträgen beauftragt. 

Aus China kauft RECY TECH keine Komponenten ein. Dafür umso mehr aus Deutschland und aus der EU. „Das ist so zwar ein bisschen teurer, aber auch sicherer“, erklärt Ulraum. „Was nützt es mir, wenn wir zum Beispiel einen ungeregelten Brexit haben und ich muss meine Firma für Monate schließen, während die Lastwagen von Nordirland bis zum Ärmel-kanal stehen.“ Und noch ein Vorteil: Durch die Nähe verkürzen sich die Lieferzeiten. 

Sich auf die Europäische Union zurückzubesinnen, ist für RECY TECH ein logischer Schluss aus der Krise. Denn die Kunden sitzen zu 85 Prozent in der EU, hauptsächlich in den Benelux-Ländern, Dänemark, Schweden usw. Durch den Verzicht auf Vorprodukte aus China sind die Wege in den Lieferketten kürzer. 

Und mit großen lukrativen Aufträgen konnten die gut 30 Mitarbeiter*innen in Lohmar seit März den Umsatz der Firma um gut 25 Prozent steigern. Denn als sie ahnten, dass Covid-19 noch einige Zeit bleibt, haben die Verantwortlichen rechtzeitig umgedacht. So konnten sie unter anderem den Kreis Heinsberg und eine bekannte Firma in der Fleischverarbeitung in NRW mit Filtern in Luftreinigern ausstatten. 

Eigenkapital wird kleiner

Während einige Unternehmen ihre Geschäfte in der Corona-Krise ausbauen können, sind die Spätfolgen für andere noch gar nicht abzusehen. Jeder zweite Betrieb meldet in einer DIHK-Umfrage (https://www. dihk.de/de/aktuelles-und-presse/coronavirus/umfragen) einen Rückgang des Eigenkapitals, was bei fortlaufenden Kosten schnell an die Substanz gehen kann. 

Hier wird deutlich, dass die Hilfsprogramme der Regierung in den ersten drei Monaten der Krise zu kurz gegriffen haben. Bei manch einem treten die Probleme erst mit Zeitverzug auf. So ist die Ausweitung der Förderprogramme im zweiten Schritt eine gute Entscheidung von Bund und Ländern gewesen.

Denn die Erhöhung der Lagerkapazitäten, neu zu verhandelnde Lieferantenverträge und Mehrkosten für den Ausbau des Homeoffice sind nur einige der Posten, die die Ausgaben der Unternehmer in die Höhe treiben. Längerfristig wird es für viele auch darum gehen, wichtige Produktionsprozesse ins eigene Haus zurück zu verlagern oder neue Produktionsstandorte aufzubauen.

Denn eine Frage stellen sich zurzeit alle Unternehmen: Welchen Lieferketten wollen wir in Zukunft vertrauen? Bei dieser und bei anderen Fragen hilft die IHK Bonn/Rhein-Sieg ihren Mitgliedsunternehmen gern weiter. Mit ihrem weltweiten Netzwerk an Partnern kann sie dabei unterstützen, passende Standorte für Produktion oder Zwischenlager zu finden. Wichtig ist, dass diese zu den Anforderungen der Unternehmen passen. Je nach Branche kann es auch sinnvoll sein, sich ganz eng und regional auszurichten. 

Um das gute Netzwerk an Informationen weiter auszubauen und zu sichern, können Unternehmen ihre durch Corona bedingten Lieferketten-Hemmnisse in die EU und in Drittstaaten an die IHK melden. Ob es sich dabei um bürokratische Hürden handelt, um wirtschaftsfeindliche Einreisebedingungen oder um anderes: Die IHK-Experten für den Außenhandel sammeln diese Meldungen und formulieren daraus ihre konkreten Forderungen an die Politik. 

Bewegung in den Lieferketten

So kommt das System der Lieferketten in Bewegung. Daraus aber direkt ein Ende der Globalisierung abzuleiten, wäre übertrieben. Ohnehin nimmt die Entwicklung zu globalen Märkten seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr so stark zu wie zuvor. Durch Kriege, Epidemien und neue politische Verwerfungen ist die Unsicherheit für Investoren gestiegen.

Knapp drei Viertel der Unternehmen in Deutschland haben in den vergangenen zehn Jahren Störungen der Lieferketten erlebt. Als Großbritannien 2016 für den Brexit stimmte, schoss der Weltunsicherheitsindex um 250 Prozent in die Höhe. Wenn die Unsicherheit steigt, leiden die globalen Lieferketten. Durch die Pandemie wird dieser Prozess verstärkt und beschleunigt. 

In der aktuellen Krise rechnet die Handelsökonomin Prof. Dr. Dalia Marin damit, dass die globalen Lieferketten um rund 35 Prozent zurückgehen werden. Vom Stand vor dem Aufschwung der Globalisierung Anfang der 90er Jahre sind wir aber noch weit entfernt. Dafür sind die weltweiten Geschäftsbeziehungen schon zu etabliert und aus vielen Branchen einfach nicht mehr wegzudenken.

Marion Theisen, freie Journalistin, Bonn

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