Pro Troisdorf-Interview mit Toni Harbig, Geschäftsführender Gesellschafter der Industriekletterer Bonn pro Troisdorf e.V. – Der Unternehmer-Club Lechfeld 1

Pro Troisdorf-Interview mit Toni Harbig, Geschäftsführender Gesellschafter der Industriekletterer Bonn

Meldung

12.04.2018: Pro Troisdorf-Interview mit Toni Harbig, Geschäftsführender Gesellschafter der Industriekletterer Bonn

„Wir sind Berufskletterer 4.0“

15 festangestellte Mitarbeiter beschäftigt Toni Harbig in seinem 2011 gegründeten Berufskletterer-Unternehmen. Die Industriekletterer Bonn arbeiten unter anderem für das Baugewerbe, für Behörden, den Bergbau, die chemische Industrie, Feuerwehren, Gebäudetechnik, Telekommunikationsunternehmen und die Windenergie-Branche. Seit 2017 hat das Unternehmen seinen Hauptstandort an der Glockenstraße in Troisdorf-Bergheim. Das Investment für die neue Zentrale in Troisdorf belief sich auf eine Million Euro. In einer 1000 Quadratmeter-Halle, die früher von einem Maschinenbauer genutzt wurde, befinden sich die Verwaltung, Konferenzräume, ein Lager für den Fachhandel mit Ausrüstung für Höhenarbeiter und ein hochmodernes Schulungszentrum. Christian Seigerschmidt und Carsten Seim interviewten den 30-jährigen Chef des noch jungen Betriebes, der in den Anfangsjahren rasante Wachstumsraten von bis zu 300 Prozent erlebte und auch jetzt noch außergewöhnlich hohe Wachstumsraten verzeichnet.

Industriekletterer-im-Gespräch

 

Wie wird man eigentlich Industriekletterer, Herr Harbig?

Harbig: Ich wollte eigentlich schon als Kind das Klettern zu meinem Beruf machen. Ich komme aus dem Erzgebirge. Dort wurde früher intensiv Bergbau getrieben. Die Berge sind wie ein Schweizer Käse durchzogen von verlassenen Stollen und Schächten. Das war unser – recht gefährlicher – Abenteuerspielplatz. Wir sind als „Schwarzbefahrer“ unterwegs gewesen: Das sind Leute, die unerlaubt alte Bergwerke befahren. Wir haben uns in Schächten bewegt, die 500 Jahre niemand mehr betreten hat. Das war ohne Abseilen nicht möglich. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich da immer wieder herausgekommen bin. Wir haben mit fluoreszierenden Farben Markierungen gesetzt und sind bis zu 20 Kilometer in den Berg hineingegangen. So entstand meine Affinität zum technischen Klettern. Wir arbeiteten schon damals mit Rollen, Klemmen, Karabiner-Haken, Flaschenzügen und vielen anderen technischen Geräten.

Und wie sind Sie ins Rheinland gekommen?

Harbig: Am 17. März 2008 bin ich in Westdeutschland angekommen, weil sich mir hier eine gute berufliche Perspektive bot. Als Nebentätigkeit habe ich 2011 mit einem Einmann-Büro in Bonn begonnen, das Industrieklettern zu meiner Nebentätigkeit zu machen.

Also sind Sie kein Bergsteiger?

Harbig: Nein. Ich werde zwar in diesem Jahr in meiner Freizeit meinen ersten 6000er besteigen. Doch ich bin Berufskletterer. Ich habe einen Ausbilder-Lehrgang gemacht und dann damit angefangen, als Kletterer zu arbeiten. Ich bin zertifiziert als aufsichtsführender Höhenarbeiter. Die alternative Bezeichnung meines Berufsfeldes ist Seilzugangs- und Positionierungstechnik. Wir haben eine eigene berufsgenossenschaftlich abgesegnete Ausbildungsverordnung, die ich selbst geschrieben habe.

Industriekletterer ist also noch kein dualer Ausbildungsberuf?

Harbig: Nein, aber ich hätte das gerne. Denn die Qualität in unserer Branche ist sehr heterogen. Es sind auch viele Studenten drunter, die sich nebenher etwas verdienen möchten, die erste Ausbildungsstufe „Level 1“ erwerben, sich ein wenig Ausrüstung kaufen und dann in den Markt gehen. Die wenigsten bleiben allerdings dabei. Ich nenne sie Jahreskletterer. Auf Facebook kann man dann feststellen, dass viele von ihnen nach kurzer Zeit ihre nur wenig benutzte Ausrüstung wieder verkaufen. Deshalb wünsche ich mir auch eine geregelte Ausbildung in unserem Beruf. Es gibt nur wenige gute Firmen wie unsere. Dazu zähle ich solche Unternehmen, die wie wir mit gut ausgebildeten festangestellten Mitarbeitern tätig sind.

Wer ist für Sie denn der ideale Berufs-Industriekletterer?

Harbig: Eine Mischung aus Kraft, Technikverständnis und ein hohes Sicherheitsbewusstsein. Denn wir haben sehr viele sehr unterschiedliche Aufträge zu erledigen, in die sich unsere Kletterer hineindenken und -arbeiten müssen. Die meisten in meinem Team haben einen Handwerksberuf gelernt, sie sind gute Allroundhandwerker. Berufsanfänger müssen nicht von vornherein klettern können. Das zeigen wir ihm oder ihr.

Wie lange gibt es Ihr Unternehmen bereits, und wie haben Sie Ihre ersten Kunden gewonnen?

Harbig: Die Industriekletterer Bonn gibt es seit 2011. Ich bin zunächst mit einem Büro in Bonn und Swisttal gestartet. Dann habe ich eine Webseite eingerichtet und online gestellt. Kurz darauf hat der WDR angerufen und gefragt, ob ich für eine Fernsehreportage „Bonn von oben“ zur Verfügung stehe. Wir haben uns dann irgendwie einen Auftrag organisiert, damit das Fernsehteam etwas zu berichten hatte. Danach kamen die ersten Kunden. Viele finden uns über Google. Und sie gelangen zunehmend über Empfehlungen zufriedener Kunden zu uns. 70 Prozent unserer Klienten rufen immer wieder an. Im Jahr 2017 sind wir nach Troisdorf umgezogen, wo wir eine 1000 Quadratmeter-Halle bezogen haben.

Warum Troisdorf?

Harbig: Zwei Stunden nach meinem Erstkontakt über Bauberatung@troisdorf.de hatte ich hier eine Reaktion. Rheinbach, Bornheim schienen uns als Unternehmen nicht so ernst genommen zu haben. Anders war das in Troisdorf!

Wie groß ist Ihre Mannschaft inzwischen?

Harbig: Inzwischen arbeite ich mit 15 festangestellten Mitarbeitern, die voll- und teilzeitbeschäftigt sind. Ich arbeite grundsätzlich nicht mit Subunternehmern. Wir kennzeichnen uns durch einheitliche rote Kleidung als Team. Wir sind vielleicht das einzige Unternehmen deutschlandweit aus dieser Branche, das nur festangestellte Mitarbeiter hat. Alle anderen, die ich kenne, arbeiten in losen Verbünden mit selbstständigen Subunternehmern. Mir ist unsere feste Teamstruktur schon aus Qualitätsgründen wichtig.

Wie hoch war Ihre Investition?

Harbig: Rund eine Million Euro. Die Bank hat uns das Geld gegeben, weil unsere Zahlen einfach stimmten. Wir haben uns anfangs Jahr für Jahr um 300 Prozent gesteigert und auch im vergangenen Jahr noch einmal um 70 Prozent zugelegt. Ich könnte noch mehr Aufträge erledigen, wenn ich mehr gute Mitarbeiter fände.

Vom Einmann-Büro zum 15 Mitarbeiter-Unternehmen – das ist auch betriebswirtschaftlich eine Herausforderung. Haben Sie sich hierfür speziell weitergebildet?

Harbig: Nein. Ich bin da irgendwie hineingewachsen. Eine Entscheidung war aber wichtig dafür, dass es bei uns auch betriebswirtschaftlich so gut klappt. Ich habe mir bewusst einen älteren Steuerberater ausgesucht, der selbst ausbildet und Lust auf Jungunternehmer wie mich hat. Ich dachte mir, dass Erfahrung gepaart mit dem neuesten Wissensstand nicht falsch sein können und bin damit gut gefahren.

Bezogen auf das Wachstum und die Position Ihres Unternehmens: Was ist denn Ihr Erfolgsgeheimnis?

Harbig: Ich verkaufe Qualität. Das sorgt für nachhaltiges Kundenvertrauen und Kundenbindung.

Sie haben damit aber auch eine andere Kostenstruktur als Freelancer.

Harbig: Genau. Diese Unternehmen, die ihre Mitarbeiter tageweise immer wieder aufs Neue zusammenwürfeln, unterbieten unsere Preise. Deshalb konzentrieren wir uns auf hoch spezialisierte Aufträge und Kunden, wo unser Know-how gefragt ist. Sie werden uns im Regelfall nicht einfach Fenster putzen sehen. Da sind wir im Vergleich zu nebenberuflichen Billigkonkurrenten zu teuer. Hier kommen wir in der Regel dann zum Zuge, wenn mit diesen Semiprofis etwas schiefgegangen ist.

Wie sieht das Unfallgeschehen denn bei Ihnen aus?

Harbig: Wir haben seit 2011 – unserem Gründungsjahr – keinen meldepflichtigen Unfall in meinem Unternehmen. Das ist essenziell für mich, denn Sicherheit steht bei uns über allem!

Bis in welche Höhen arbeiten Sie?

Harbig: Mein höchster Arbeitsplatz war ein 250 Meter hoher Mast in Mettlach im Saarland. Der hatte einen Durchmesser von 50 Zentimeter. War zwar alle 30 Meter mit Stahlseilen abgespannt. Dennoch schwang er kräftig hin und her, wenn Wind ging. Das habe ich so noch nicht erlebt! Grund für unsere Arbeit auf dem Turm war der Tausch von Speicherkarten nach einem Blitzeinschlag. Gemessen wurden die nächtlichen Fledermaus-Flugbewegungen. An dem Mast waren sogenannte Batcoder. Der Mast hatte kein Sicherungssystem, nur Schrägprofile, weil man nicht damit gerechnet hatte, dass ein Austausch der Speicherkarten nötig werden würde.

Welche Geschäftsfelder haben Sie denn?

Harbig: Wir engagieren uns in der Arbeitssicherheit – kurz: alles, was mit Arbeitssicherheit zu tun hat. Wir helfen bei Unfallberichten, schreiben beispielsweise Gefährdungsanalysen, bauen Vorrichtungen auf Dächern, an denen sich zum Beispiel der Hausmeister einhaken kann, wenn er Wartungsarbeiten vornimmt. Wir waren als Berater an der Baustellungplanung am Bonner Münster beteiligt, haben Einschätzungen zu Sicherheitssystemen gemacht. Ich berate auch die Berufsgenossenschaft.

Wir machen zweitens Schulungen, Planung und Beratung für die Höhenrettung. Unternehmen müssen bei allen Maßnahmen laut Arbeitsschutzgesetz ein Rettungskonzept haben, wenn Mitarbeiter bei Höhenarbeiten einen Unfall erleiden. Die eigenen Kollegen müssen ihn dann hochziehen oder ablassen können. Das bringen wir ihnen bei. Wir schulen entweder vor Ort oder bei uns in unserem Schulungszentrum in der Glockenstraße in Troisdorf-Bergheim. Wir haben hier auch eine Kanalsimulation, in der wir kameraüberwacht eine Kanalrettung üben können. Mit unserer Lichtanlage können wir Tag- und Nachtsituationen simulieren.

Wir sind drittens Dienstleister. Ein wichtiger Kundenkreis ist die Chemieindustrie. Wir gehen auch in große Anlagenkessel hinein und erledigen dort Arbeiten. Beispielsweise bauen wir ein Gerüst darin, damit ein TÜV-Prüfer innen eine Wandstärkemessung durchführen kann. Oder wir tauschen Rührwerke oder Propeller aus. Wir sind auch als Höhenretter aktiv. Unternehmen können ihre nach dem Arbeitsschutzgesetz bestehende Verpflichtung, ein Rettungskonzept für Mitarbeiter zu haben, auch an uns delegieren. Wir sind dann vor Ort und schreiten ein, wenn es erforderlich werden sollte. Ein weiteres Feld ist die Bauwerkstechnik. Wir haben erst kürzlich mit Drehmomentschlüsseln den korrekten Sitz von 77 000 Schrauben einer Vorhangfassade geprüft.

Unser viertes Geschäftsfeld schließlich ist der Fachhandel von professioneller Ausrüstung. Zu unseren Kunden zählen Unternehmen, Einzelkunden aber auch Behörden. Wir bauen unseren Webshop aus, haben dafür eine Mitarbeiterin eingestellt, die Contentpflege betreibt, und rüsten das Lager auf eine Computer-gesteuerte Lagerhaltung um, wie man sie beispielsweise auch von Amazon kennt. Lageristen werden durch ein spezielles Instrument zur jeweiligen Warenposition geleitet. Es geht hier ums Arbeiten an Dächern, Höhenarbeit im Allgemeinen, Baumpflege und Tätigkeiten auf Arbeitsbühnen.

In welchem Aktionsradius arbeiten Sie?

Harbig: In der Region Rhein-Main, aber auch Europaweit – zum Beispiel in Belgien und Italien. Grundsätzlich würden wir auch weltweit arbeiten.

Wie ist Ihre Auftragslage?

Harbig: Sehr gut.

Und wie lange muss ich warten, wenn ich Sie engagieren will?

Harbig: Wenn es pressiert, kommen wir sofort. Auch nachts. Wir haben einen 24-Stunden-Dienst. Bei größeren Projekten gibt es Vorplanungsphasen von vier bis acht Wochen. Man jongliert jeden Tag mit den Aufträgen. Bei manchen kommt es nicht so sehr darauf an, wann sie genau fertig werden. Dann schiebe ich neue dazwischen. Fast täglich stellen wir die Schichtpläne um.

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Das Leitmotiv des Unternehmer-Clubs lautet: „Vernetzt mehr erreichen“. Was bedeutet das für Sie?

Harbig: Zum einen arbeiten wir digital vernetzt. Wir haben eine zentrale Auftragsverwaltung mit allen notwendigen Materialien, Fotos, Aufträgen auf unserem Server. Jeder unserer Kletterer hat ein Tablet und erhält darauf in Echtzeit alle benötigten Informationen. Er kann mit seinem Tablet auch Fotos machen und seine Arbeit dokumentieren oder digital eine Zweitmeinung zu den Verhältnissen vor Ort einholen. Diese virtuelle Vernetzung erhöht unsere Effizienz. Unsere Kunden können auch Prüfprotokolle elektronisch einsehen. Das System erinnert sich auch elektronisch an notwendige Wartungsintervalle. Wegen dieser elektronischen Arbeitsweise, für die ich mir am Markt die Einzelkomponenten zusammengesucht habe, weil es ein solches System noch nicht gab, nennen wir uns auch Berufskletterer 4.0. Wir haben uns komplett von der Zettelwirtschaft verabschiedet. Ohne diese Tablets geht bei uns gar nichts mehr.

Wir sind zudem persönlich eng vernetzt mit den Berufsgenossenschaften. Diese fragen immer wieder unsere Expertise an. 2019 halte ich bei einer Berufsgenossenschaft vor mehr als 100 Arbeitsschutzverantwortlichen einen Vortrag zur Sicherung bei Arbeiten auf Hubplattformen auf Schienenfahrzeugen. Immer wieder stürzen hier Menschen aus den Arbeitskörben ab. Diesen Vortrag mache ich unentgeltlich. Zum einen will ich helfen, zum anderen hoffe ich natürlich, dass daraus vielleicht auch einmal ein Beratungsauftrag wird.

Wo wollen Sie in zehn Jahren stehen?

Das kann man nicht quantifizieren. Ich glaube, dass unser Online-Shop sehr stark expandieren wird. Wir haben viel Geld investiert, damit Google hier gute Inhalte findet. Mit unserem Know-how haben wir ein Alleinstellungsmerkmal.

Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim

 

Fact Sheet Industriekletter Bonn

  • Geschäftsführer: Toni Harbig. Unternehmer seit 2011.
  • Kundenkreis: Baugewerbe, Behörden, Bergbau, chemische und petrochemische Industrie, Energieerzeugung, Feuerwehren, Gebäudetechnik, Infrastruktur, Telekommunikation, Windenergie-Branche.
  • Portfolio: Lösungen für Höhenarbeiten an. Dienstleister auf diesem Feld, Schulungen in Seiltechnik im modernen Ausbildungszentrum in Troisdorf-Bergheim. Beratung bei Höhenarbeiten, Gefährdungsbeurteilungen u. v. m. Online-Fachhandel für professionelle Höhenarbeiter-Ausrüstung.

Unternehmensgeschichte:

  • 2012: erster Industriekletterer Bonn-Shop, Umzug nach Swisstal.
  • 2013: berufsgenossenschaftliche Anerkennung als Ausbildungsstätte für Sachkundigen-Schulung; erster Einsatz als Höhenretter bei einer Behälterbefahrung
  • 2014: Planungsabteilung für permanente Absturzsicherung, vier Mitarbeiter
  • 2015: erster Auftrag in Europa, neuer 24-Stundenbereitschaftsdienst
  • 2016: acht Mitarbeiter
  • 2017: Bezug des neuen zentralen Standortes mit 1000m² Fläche in Troisdorf-Bergheim; nach Firmenangaben modernstes Schulungszentrum für Höhenarbeiter in Europa; zehn Mitarbeiter; Inbetriebnahme einer hauseigenen Atemschutzwerkstatt
  • 2018: 15 festangestellte Mitarbeiter; neue Warenwirtschaft mit Echtzeitanpassung

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