STEUERBERATER MARTIN GRAU: „LEHREN AUS DER CORONA-KRISE“ pro Troisdorf e.V. – Der Unternehmer-Club Lechfeld 1

STEUERBERATER MARTIN GRAU: „LEHREN AUS DER CORONA-KRISE“

Meldung

07.07.2020: STEUERBERATER MARTIN GRAU: „LEHREN AUS DER CORONA-KRISE“

Im pro Troisdorf-Interview erläutert der Steuerberater, Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Martin Grau, wie sich seine voll digital organisierte Kanzlei in der Krise aufgestellt hat und gibt Empfehlungen.

Rund 300 Mandanten betreut die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft megra in Troisdorf, die Martin Grau gemeinsam mit seinem Partner Frank Weinberg und 20 Mitarbeitern betreibt. Der Mandantenstamm kommt vorwiegend aus dem unternehmerischen Umfeld, vom Soloselbstständigen bis zum KMU mit rund 200 Mitarbeitern vorwiegend im Rhein-Sieg-Kreis. Im pro Troisdorf-Interview erläutert der Steuerberater, Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Martin Grau, wie sich seine voll digital organisierte Kanzlei in der Krise aufgestellt hat und gibt Empfehlungen zum Beispiel zur Corona-Soforthilfe, deren verwirrende Bedingungen für große Verunsicherung sorgen.

Wie haben Sie sich als Steuerkanzlei auf die Corona-Krise eingestellt?

Wir haben innerhalb von drei Tagen 15 unserer 20 Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt und so die Kanzlei personell ausgedünnt, um Ansteckungsrisiken zu minimieren. Wir haben auch bislang persönliche Mandantenkontakte komplett auf Videokonferenztechnik umgestellt. Wir konnten davon massiv profitieren. Unsere Arbeitsabläufe waren bereits vorher sehr digital. Nun haben wir auch Mandanten, die bis dato noch persönlich bei uns waren, in diesen Workflow einbinden können. Sie sind nun über ein Portal https://my.digitaxperts.online/ und eine App mit uns in Kontakt. Wir können mittlerweile digital in verschiedenen Qualitätsstufen signieren. So sind wir zum einen auch in der Krise hundertprozentig einsatzfähig und können zum anderen die in der Krise enorm gewachsene Flut von Anfragen unserer Mandanten bewältigen.

Ist das eine Lehre aus der Krise für Sie, dass Ihre Kanzlei auch remote hundertprozentig arbeitsfähig ist?

Wir bieten unseren Mitarbeitern seit jeher die Option „Homeoffice“ an. Bei uns arbeiten viele Mütter, die so Familie und Beruf besser vereinbaren können. Wir haben mobile und feste digitale Arbeitsplätze. Die Lehre, die wir aus der Corona-Krise gezogen haben: Auch Mitarbeiter, die sich zuvor nie vorstellen konnten, digital von zuhause arbeiten zu können, können sich nun mit Homeoffice anfreunden. Nun bieten sie an, auch über die Zeit der Krise hinaus zwei Tage in der Woche remote zuhause zu arbeiten – gerade Ältere. Das begrüße ich, und das ist für mich ein entscheidendes Learning aus der Krise. Da wir bereits sehr digital arbeiten, mussten wir unsere Workflows kaum verändern. Wir sind DATEV-Referenzkanzlei und entwickeln gemeinsam mit der DATEV neue Software.

Digitale Geschäftsprozesse sind für ALLE Unternehmen wichtig. Die Krise hat uns gelehrt, dass wir mit einem guten ERP-System und gesicherten VPN-Verbindungen Geschäftsprozesse auch einfach nach Hause verlagern können. Es wird auch nach der Krise wichtig sein, von überall aus sicher auf die eigenen Daten zugreifen zu können. Wir beraten unsere Mandanten sowohl bei sicheren Infrastrukturen als auch bei verfügbaren Förderungen für eine digitale Infrastruktur.

Und wie sorgen Sie für Sicherheit in Ihren digitalen Systemen?

Wir haben einen hoch performanten Server und damit unsere eigene sichere Cloud. Wir stellen unsere Mitarbeitern dienstliche Endgeräte für das Arbeiten zuhause. Alle dienstlichen Endgeräte – auch Mobile-Devices – sind zentral administriert. Nur Administratoren können neue Software darauf aufspielen oder diese verändern. Diese Geräte dürfen zudem nur dienstlich genutzt werden. Wichtig ist auch, dass alle Mitarbeiter eine Datenschutzerklärung unterschrieben haben. Auch in der Kanzlei trennen wir zwischen dienstlich und privat. Zwei Endgeräte im Büro stehen fürs private Surfen und Mails zur Verfügung. Diese laufen über einen separaten Internetzugang. Auf dienstlichen Rechnern sind private Mails verboten. Jährlich erhalten unsere Mitarbeiter Auffrischungsschulungen in Sachen Datenschutz.

Wie halten Sie Ihr Team im Homeoffice zusammen?

Wir haben täglich um 10 Uhr einen „Daily“ per Videokonferenz. Wir arbeiten mit Microsoft 365 und dem digitalen Notizbuch Microsoft OneNote. Hier findet sich die Arbeitsagenda mit Links zu digitalen Arbeitsmitteln, auf die Mitarbeiter auch von zuhause aus problemlos zugreifen können. Sämtliche Neuerungen, und was das für unsere Arbeit bedeutet, sind hier für jeden Beteiligten zugänglich. Eine schnelle Kommunikation sichert der Einsatz vom MS Teams, Projekte organisieren wir über MS Planner, so bleibt jede Aufgabe sicht- und bearbeitbar.

Wie haben sich die Umsätze Ihrer Mandanten in den Krisenmonaten April und Mai entwickelt?

Durchwachsen. Vor allem in der Gastronomie – bei uns nur wenige Mandanten – und in der personennahen Dienstleistung – zum Beispiel Osteopathen, Masseure und Physiotherapeuten –  sind Umsätze teilweise auf null gefallen. Allerdings gibt es hier Unterschiede. Jüngere Kundschaft ist eher bereit, sich behandeln zu lassen, ältere Patienten kommen eher weniger. Andere Unternehmen verzeichnen aufgrund spezieller Produkte sogar Umsatzzuwächse.

Mit welchen Fragen wenden sich Ihre Mandanten an Sie?

Hier geht es aktuell um Soforthilfe und steuerliche Notmaßnahmen sowie Kurzarbeit. In dieser Krise gab es täglich Änderungen. Auf digitalem Wege konnten wir unsere Mandanten darüber permanent auf dem Laufenden halten und Anliegen systematisch sehr schnell an die Finanzämter weitergeben. Um der Anfrageflut Herr zu werden, haben wir Formulare entwickelt, die durch einfaches Ankreuzen ausgefüllt werden können. Zudem haben wir Wege entwickelt, die für eine zügige Bearbeitung bei den Finanzämtern sorgen. All das haben wir in den ersten beiden Wochen erledigt.

Viel Unsicherheit bestand bei Selbstständigen, ob und wieviel man von der Soforthilfe behalten darf …

Diese Unsicherheit besteht leider immer noch! Das resultiert vor allem daraus, dass es im wesentlichen Bundesmittel sind, die aber von den Ländern verwaltet werden.

Was darf man denn beispielsweise als Soloselbstständiger von den ausgezahlten 9000 Euro Nothilfe behalten?

Wenn Fixkosten durch Umsätze nicht bezahlt werden konnten, darf man diesen Betrag der Nothilfe dafür verwenden, muss ihn aber versteuern. Das Geld ist nach Auffassung der Bundesregierung, die diese Mittel zur Verfügung stellt, definitiv nicht für die private Lebensführung gedacht. Im neuen Konjunkturpaket ist für Überbrückungsgeld von „fixen Betriebskosten“ die Rede. NRW geht einen Sonderweg. 2000 der 9000 Euro dürfen Soloselbstständige unter bestimmten Bedingungen auch für die Deckung des Lebensunterhaltes verwenden. Diese Regelung ist der Tatsache geschuldet, dass in den Bedingungen zur Antragstellung anfangs auch davon die Rede war, dass die Nothilfe auch zur Sicherung des Lebensunterhaltes verwendet werden kann. Wer in NRW die restlichen 7000 Euro nicht für Betriebskosten benötigt hat, muss diese zurückzahlen.

Kann man die Nothilfe behalten, indem man beispielsweise in eine neue IT-Infrastruktur investiert?

Dafür ist das Geld nicht gedacht. Alle Zuwendungsempfänger sind verpflichtet, ihren Liquiditätsengpass in diesem Zeitraum zu berechnen und zu viel erhaltene Soforthilfe zurückzuzahlen. Sie erhalten dazu rechtzeitig einen Vordruck, der für die Berechnung genutzt werden muss.

Für Investitionen sind eher die zinsgünstigen KfW-Kredite vorgesehen. Die Nothilfe soll fixe Kosten abmildern – zum Beispiel die Leasingraten für das Fahrzeug, das für den Betrieb genutzt wird, oder Mieten.  

(Anmerkung: Die IHK-Bonn/Rhein-Sieg erklärt in einem Videobeitrag, Stand 23.6.2020, wie die Abrechnung der Nothilfe-Zahlungen konkret erfolgen soll.)

Wird es ein böses Erwachen für manche geben, die das Nothilfegeld nicht bestimmungsgerecht verwenden?

Das fängt bereits an! Staatsanwälte in NRW haben bereits Strafanträge gestellt und auch bereits Konten sperren lassen. In einem Fall ging es darum, dass das Nothilfegeld vom Geschäftskonto auf ein Privatkonto der Ehefrau überwiesen worden war. Die Bank hat hier eine Meldepflicht. Und im Handumdrehen haben die Behörden das Konto des Verursachers gesperrt. Der “NRW-Zuschuss” zum Lebensunterhalt in Höhe von 2000 Euro kann natürlich frei verwendet werden.

In Sachen Nothilfe agieren die Bundesländer nicht einheitlich – ein ziemliches Durcheinander, oder?

Ich tausche mich auch in einer Facebook-Gruppe, der ca. 3800 Steuerberater angehören, und die ich mitinitiiert habe im Oktober 2019 nicht nur über die aktuellen Entwicklungen bei den Corona-Notfallregelungen aus. Die FAQs in den einzelnen Bundesländern wechselten fast täglich! Da war der fachliche Austausch über dieses Medium unschlagbar schnell und fachlich hochwertig. Wir wünschen uns hier Konkretisierungen sowie mehr Eindeutigkeit und nutzen über Social Media auch direkte Kontakte zur Politik.

Unternehmen mit Mitarbeitern steht diese NRW-Nothilfe für dem Lebensunterhalt nicht zur Verfügung. Was gibt es denn für Sie?

In NRW gab es bis zum Antragsschluss am 31. Mai über die Nothilfe für Soloselbstständige, in Höhe von 9 000 Euro die auch Unternehmen mit bis zu 5 Mitarbeitern eingeschlossen hat, hinaus zwei weitere Töpfe. Der erste Topf für Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern belief sich auf 15 000 Euro. Den zweiten für Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern hat NRW aufgemacht. Hier gab es 25 000 Euro.

Die Nothilfen sind weg – rien ne va plus. Was empfehlen Sie notleidenden Unternehmen darüber hinaus?

Im Konjunkturpaket sind weitere Hilfen zugesagt. Das schlimmste daran sind die Mehrwertsteuersenkungen, weil diese den Unternehmern, den Steuerberatern und auch den Finanzämtern großen Bürokratieaufwand bereiten. Über den demgegenüber stehenden volkswirtschaftlichen Erfolg können wir nur spekulieren. Denn wir wissen noch nicht, wie das alles umgesetzt werden soll. Es kommt darüber hinaus ein Überbrückungsprogramm mit neuen Töpfen. Wichtig ist, dass Sie rechtzeitig mit Ihrem Steuerberater kommunizieren, dieser muss nach aktuellem Stand eine Bestätigung abgeben, damit Auszahlungen erfolgen können. Auch zinsgünstige KfW-Kredite stehen den Unternehmen weiterhin zur Verfügung. Antragszeiten wurden verkürzt und Risikobewertungen nach unten korrigiert. Diese Kredite werden über die Hausbank abgewickelt. Kreissparkasse und VR Bank waren bei der Abwicklung meist sehr schnell und unbürokratisch unterwegs.

Beide von Ihnen erwähnten Institute sind Regionalbanken. Warum ist das wichtig?

In Krisenzeiten zählt der persönliche Kontakt. Der ist in solchen Zeiten Gold wert! Ich rate deshalb dazu, bei regionalen Banken zu bleiben. Noch ein Wort zu Nothilfen und Krediten:  Nothilfen sind nur Pflaster, aber keine kausale Behandlung für ein ohnehin notleidendes Unternehmen. Und auch bei zinsgünstigen Krediten folgt die Rückzahlung, die auch in schwierigen Phasen, die möglicherweise noch vor uns liegen, zu leisten ist.

Deshalb meine generelle Empfehlung: Das Konsumverhalten wird sich aus meiner Sicht entscheidend verändern. Kann das Unternehmen in diesem veränderten Markt bestehen? Das ist jenseits von Corona zukunftsentscheidend. Solche Fragen müssen sich Unternehmensentscheider jenseits kurzfristiger Finanzengpässe stellen. Wie tragfähig wird Ihr Geschäft in Zukunft sein? Wir fahren in unserer Beratung eine Doppelstrategie: Natürlich helfen wir bei kurzfristigen Maßnahmen, um die Krise abzufedern. Auf der anderen Seite schwören wir sie aber auch darauf ein, dass sie JETZT über ihr Geschäftsmodell und Ihre Prozessabläufe nachdenken müssen, um in der Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Dafür werden derzeit viele Förderprogramme angeboten, für die wir uns akkreditieren lassen, um die Investitionen in die Beratung für unsere Kunden abzumildern.

Wir hatten in den Jahren vor der Corona-Krise gute Zeiten – und mancher hat noch Steuerrückzahlungen aus seinem eingereichten Abschluss 2018 zu bekommen, der er jetzt dringend braucht. Was tun?

Rechtlich kann man gar nichts tun. Denn Finanzämter haben keine Pflicht zu handeln. Bei den Stundungsanträgen für Steuern, die zum 10. Juni zu entrichten waren und mögliche Verlustrückträge, um Vorauszahlungen zu senken, sind die Finanzämtern relativ schnell. Sie haben deshalb einen hohen Arbeitsanfall, was ausstehende Steuerrückzahlungen möglicherweise verzögert und sind im Rückstand bei der Bearbeitung. Mein Tipp in dieser Lage: Nicht schreiben sondern anrufen. Auch im Finanzamt sitzen meistens Menschen, die Verständnis für Schicksale haben. Sie haben hier eine Chance, Ihren Vorgang zu beschleunigen, wenn Sie Ihre Lage schildern.

Senkungen der Steuervorauszahlungen und Stundung von Steuern – nach welchen Kriterien soll man hier vorgehen?

Man muss letztendlich nur darlegen, dass man aufgrund der Corona-Krise unmittelbar betroffen ist. In den Buchführungen liegen schon Zahlen bis in den Mai hinein vor. Daran kann man Umsatzrückgänge und Gewinneinbrüche erkennen. Steuervorauszahlungen auf Basis hoher Gewinne in den Vorjahren kann man auf Antrag entsprechend anpassen lassen. Auch das erledigen wir digital mit direkter Anbindung an das Finanzamt.

Interview: Christian Seigerschmidt, Carsten Seim;

Internet: www.megra-beratung.de

www.Troisdorf.city/megra

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