pro Troisdorf-Interview mit der lieber-zuhause GmbH: Grundpflege und Patientenbetreuung in Corona-Zeiten pro Troisdorf e.V. – Der Unternehmer-Club Lechfeld 1

pro Troisdorf-Interview mit der lieber-zuhause GmbH: Grundpflege und Patientenbetreuung in Corona-Zeiten

Meldung

20.11.2020: pro Troisdorf-Interview mit der lieber-zuhause GmbH: Grundpflege und Patientenbetreuung in Corona-Zeiten

Die lieber-zuhause GmbH operiert von Troisdorf-Oberlar aus. Elena, Jens und Ulf Schäl führen das Unternehmen als geschäftsführende Gesellschafter.

Im Gespräch mit Christian Seigerschmidt, Vorstandsvorsitzender des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf, und Carsten Seim, avaris | konzept, äußerten sich Ulf Schäl und sein Bruder Jens Schäl über die Arbeit ihres Unternehmens in der Corona-Krise. Die vor fünf Jahren gegründete lieber-zuhause GmbH betreut Menschen in Fragen der Grundpflege und häuslicher Dienstleistungen wie zum Beispiel Einkauf. Sie will, wie es der Name sagt, dafür sorgen, dass pflegebedürftige Menschen nicht in Heimen untergebracht werden, sondern länger zuhause bleiben können. Viele von Ihnen zählen zu den Corona-Risikogruppen. Auch darum bewegte sich das Gespräch in der Firmen-Zentrale in der alten Schule in Oberlar.

Wann ist die lieber-zuhause GmbH gegründet worden – und wie sind Sie auf die Idee gekommen, sie zu gründen?

Ulf Schäl: Zuvor waren wir mit einem IT-Dienstleistungsunternehmen aktiv gewesen, der CEDION GmbH. Wir haben beispielsweise Fahrpläne für die Deutsche Bahn herausgegeben. Auf der Suche nach geschäftlichen Alternativen sind wir auf erfolgreiche Franchise-Unternehmen in den USA gestoßen, die dort bereits sehr erfolgreich Leistungen der häuslichen Grundpflege und hauswirtschaftlicher Unterstützung pflegebedürftiger Menschen erbringen. Aufgrund der demographischen Entwicklung gingen wir davon aus, dass die Senioren in unserer Region ein Zukunftsmarkt sind. Wir haben uns das notwendige Fachwissen angeeignet.

Wie viele Menschen beschäftigt Ihr Unternehmen?

Jens Schäl: Mehr als 100 Pflegekräfte sind im Außeneinsatz. Die meisten von ihnen arbeiten in Teilzeit. Es sind einige Fachpflegekräfte dabei, die nicht mehr Vollzeit arbeiten möchten; aber auch angelernte Kräfte. Rund die Hälfte von ihnen arbeiten auch als Minijobber. Sie sind aktiv bei Betreuungsleistungen, unterstützen beim Kochen, sie waschen Menschen, die sich nicht mehr komplett selbst helfen können.

Ulf Schäl: Wir haben in unserer Zentrale zwei voll ausgebildete Pflegedienstleiterinnen, die alle Beschäftigten anleiten. Eine dritte PDL haben wir gerade auf eigene Kosten ausgebildet. Bei uns im Haus finden regelmäßig Schulungen statt – zum Beispiel Erste-Hilfe-Kurse, die regelmäßig aufgefrischt werden. Wir führen zudem Schulungen in Grundpflege durch. In der medizinischen Pflege sind wir nicht aktiv. Wir möchten nicht in Konkurrenz zu medizinischen Pflegediensten treten.

Wie viele Patienten betreuen Sie?

Jens Schäl: Rund 300 Menschen in der Region Troisdorf, Niederkassel und Sankt Augustin. Im Regelfall sind unsere Patienten weit über 70. Wir unterstützen aber auch Familien mit behinderten Kindern. Ein Arbeitsfeld für uns ist die Krankenhaus-Nachsorge. Viele kommen zu uns durch Empfehlung. Auch Soziale Dienste von Krankenhäusern sind Multiplikatoren für uns.

Ulf Schäl: Wir sind Problemlöser für soziale Dienste und Krankenkassen gleichermaßen. Ein Krankenhaus-Aufenthalt ist für Kostenträger viel teurer als unsere Betreuung zuhause. Wir rechnen dann direkt mit der Krankenkasse ab. Das ist zeitlich auf einen Monat befristet und kann im Bedarfsfall verlängert werden. Für die Patienten ist das auch vorteilhaft, denn viele sind in der Regel lieber zu Hause statt im Krankenhaus.

Wie sind die Vertrags-Konditionen für die Patienten?

Jens Schäl: Kunden können uns jederzeit täglich kündigen. Denn Pflege ist eine sehr enge Beziehung. Es muss passen! Wir gewähren als Unternehmen eine Kündigungsfrist von vier Wochen. Das kann beispielsweise in Fällen geschehen, in denen wir das notwendige Leistungsspektrum nicht mehr abdecken können. Das entscheidet unsere Pflegedienstleitung, die das fachliche Know-how abdeckt.

Ulf Schäl: In manchen Fällen ist es empfehlenswert, eine qualifizierte Pflegefachkraft 24 Stunden am Tag zu beschäftigen. Das können wir nicht abdecken. Wir haben aber auch schwere Fälle erlebt, in denen wir eine Mitarbeiterin zwei Tage in der Woche für einen Patienten zur Verfügung gestellt haben. Und es hat sich durch die Betreuung eine solche Besserung eingestellt, dass ein Patient wieder neuen Lebensmut fasste und wieder selbstständiger wurde. Er ist mit seiner Betreuerin auch wieder in der Öffentlichkeit unterwegs. Das bestätigt uns in unserer Arbeit. Das bestätigen uns auch medizinische Pflegedienste, mit denen wir kooperieren. Sie empfehlen uns auch Patienten, für die sie zu wenig Zeit haben.

Wir sind aber an niemanden gebunden und arbeiten auch nicht mit Vermittlungsprovisionen.

Welches Dienstleistungsspektrum decken Sie denn ab?

Ulf Schäl: Grundpflege wie beschrieben, Hilfe beim Einkauf, Arztbesuche, Haushaltshilfe beim Zubereiten des Essens. Eine unserer Pflegedienstleiterinnen schaut sich den Bedarf vor Ort an und sind beratend auch für Krankenkassen tätig. Auch die reine Begleitung im Alltag –  also mit dem Kunden einen Kaffee trinken, ein Spiel spielen oder sich unterhalten – kann Bestandteil unserer Dienstleistung sein.

Unterstellt, dass ich noch keine medizinische Pflege, sondern lediglich Entlastung im Haushalt brauche: Was sind denn Vorteile, wenn ich mich an die lieber-zuhause GmbH wende?

Jens Schäl: Medizinische Pflege muss in sehr kurzen Zeit-Takten von beispielsweise einer Viertelstunde pro Tag arbeiten. Unsere Kräfte können sich auch mehrere Stunden bei Kunden aufhalten. Wir ergänzen auf diese Weise die Arbeit des medizinischen Pflegedienstes. Wir helfen auch in der Grundpflege – zum Beispiel bei Körperwaschungen und Toilettengängen. Wir entlasten Angehörige beim Einkauf. Für die Körperwaschung inklusive Haare-Föhnen sind im medizinischen Pflegedienst 18 Minuten vorgesehen. Daran sind wir nicht gebunden. Wir können uns auf der menschlichen Ebene sehr viel intensiver mit unseren Patienten*innen beschäftigen.

Was ist der Vorteil, wenn Pflegebedürftige zuhause bleiben?

Ulf Schäl: Wir sorgen dafür, dass Menschen länger aktiv zu Hause bleiben können. Wir sorgen beispielsweise dafür, dass Personen, die zu Hause leben, genug, aber nicht zu viel essen. Wir helfen, dass sie Struktur im Tag finden. Das hilft auch den Angehörigen. Wir hatten auch schon Fälle, in denen wir uns zunächst im Rahmen einer Sonderaktion im Haushalt engagieren mussten, um Grund hinein zu bringen.

Was hat sich in der Corona-Pandemie an Ihrer Arbeit geändert? Schließlich gehen Sie mit Risikogruppen um …

Jens Schäl: Bei uns herrscht Masken- und Handschuhpflicht. Wir legen größten Wert auf Desinfektion. Im März und April gab es große Engpässe bei Desinfektionsmitteln. Wir haben mit Harmsen Trading in Troisdorf-Sieglar …

… Mitglied bei pro Troisdorf …

… einen zuverlässigen Lieferanten für Desinfektionsmittel, Handschuhe und Masken gefunden. Dabei sind wir bis heute geblieben. Wir haben einen kurzen Draht zur Geschäftsführerin Sabine Harmsen. Die Liefertreue ist gut, und die Preise sind vernünftig. Darauf kommt es an! „Vernetzt mehr erreichen“, das Motto des Unternehmer-Clubs pro Troisdorf trifft hier zu.

Dankbar sind wir auch dem Rhein-Sieg-Kreise, der uns vor allem zu Beginn der Corona-Krise mit Handschuhen, Masken und Desinfektionsmitteln unterstützt hat.

Gibt es sonst Mangel-Situationen in der Corona-Krise?

Ulf Schäl: Beim Personal! Der Markt bei Pflegekräften ist in dieser Situation leergefegt. Wir haben einige ältere Pflegefachkräfte, die nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen. Sie sagen uns auch, dass sie bei uns mehr Spaß an ihrer Arbeit haben, weil sie mehr Zeit mit ihren Patienten haben. Sie haben in der Regel einen Kunden!

Was tun Sie darüber hinaus, um Corona vorzubeugen?

Jens Schäl: Patienten, die zuhause sind und keine Symptome haben, brauchen nicht getestet zu werden. Wenn ein Patient im Krankenhaus war, braucht er oder sie nach Rückkehr in sein Zuhause ein Negativ-Attest, damit wir uns wieder um ihn oder sie kümmern können. Das ist so vorgeschrieben. Unsere Mitarbeiter werden getestet, wenn sie Symptome zeigen oder Kontakt zu Corona-Infizierten hatten. Bei uns ist das direkt noch nicht vorgekommen. Wir sind da in engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt. Wir haben einen akut positiv getesteten Patienten. Die Mitarbeiter, die in Kontakt mit diesem Patienten waren, sind in Quarantäne gegangen. Ohne negatives Attest werden sie nicht wieder in den Einsatz gehen! Bisher sind wir gut durch diese Krise gekommen. Wenn unsere Mitarbeiter in Quarantäne gehen müssen, erhalten Sie von uns Lohnfortzahlung. Der Landschaftsverband Rheinland hat uns dafür Ausgleichszahlungen zugesagt. Wichtig ist uns aber, dass die Mitarbeiter nicht in ein Loch fallen, wenn sie in Quarantäne müssen.

Die Wirtschaft klagt allgemein über Mangel an Arbeitskräften. Welche Kräfte suchen Sie denn besonders?

Ulf Schäl: Wir suchen generell Personen, die unser Spektrum abdecken können. In Einzelfällen sind für Gespräche auch Männer gefragt. Nur zwei Angehörige unseres mehr als hundertköpfigen Teams sind männlich.

Hat Sie die Corona-Krise auch beim Umsatz getroffen?

Jens Schäl: Im März und April war das der Fall, weil Angehörige pflegebedürftiger Personen dachten: „Wir arbeiten jetzt kurz und können Geld sparen, indem wir selbst für diese Menschen sorgen.“ Wir haben Umsatzeinbrüche von 10 Prozent erlebt. Wir sind hier im Vergleich zu anderen glimpflich weggekommen, zumal wie in dieser Zeit auch weniger Lohnkosten hatten. Das hat sich inzwischen gelegt. Die Angehörigen haben nach zwei bis drei Wochen gemerkt, dass die Betreuung pflegebedürftiger Personen viel schwieriger ist, als sie sich das vorgestellt hatten. Die Zahlen waren im Mai fast wieder auf altem Niveau. Ich kann nur davon abraten, dass Angehörige ihre Mütter oder Väter pflegen. Eine fremde Person, die täglich für vielleicht drei Stunden kommt, bringt Abwechslung für alle! Zudem reduziert das familiäre Spannungen.

Ulf Schäl: Das Verhältnis zwischen Eltern und Kind ist ein anderes als das zwischen einer Pflegeperson und einem Pflegebedürftigen. Kaum jemand möchte beispielsweise vom eigenen Sohn gewaschen werden.

Welche Stundensätze rechnen Sie ab – und wie refinanziert sich das?

Jens Schäl: Wir rechnen mit einem Stundensatz von 34,90 Euro ab. Zu mehr als 90 Prozent rechnen wir aber nicht direkt mit den Kunden ab, sondern mit den Kranken- oder Pflegekassen. Bei Pflegestufe 1 können Sie beispielsweise 125 Euro im Monat mit uns abrechnen. Das wären fast drei Stunden in Monat. Bei Ehepaaren, die beide diese Pflegestufe haben, verdoppelt sich dieser Betrag.

Gab es in der Pandemie Bedenken unter Ihren Mitarbeitern*innen, ihre Tätigkeit weiter auszuüben?

Jens Schäl: Anfangs war das der Fall. Wir haben niemanden losgeschickt, der sich in seiner Arbeit nicht wohlgefühlt hat. Viele haben ihre Tätigkeit aber sehr gern fortgeführt, weil es gewachsene Beziehungen zwischen unseren Mitarbeitern*innen und den betreuten Personen gibt. Das ist uns ebenfalls wichtig: Die meisten unserer betreuten Personen haben ihre festen Bezugspersonen aus unserem Team. Inzwischen haben sich die Ängste aber gelegt. Alle sind mit vollem Einsatz dabei. Wir rüsten sie vollständig mit FFP2-Masken und Handschuhen aus, wenn sie sich zum Beispiel beim Waschen sehr nahe in ihren Patienten*innen bewegen müssen.

Was tun Sie im eigenen Unternehmen, um die notwendige Hygiene zu gewährleisten?

Ulf Schäl: Wir haben sofort im März umfassende Hygienemaßnahmen eingezogen. Anfangs haben wir in zwei Schichten gearbeitet, um im Fall einer Infektion in einer Schicht mit der anderen Beschäftigen-Gruppe einsatzfähig bleiben zu können. Ab Juni sind wieder zum normalen Betrieb übergegangen. Wir haben Klarsicht-Trennwände aufgestellt. Auf den Fluren besteht Maskenpflicht. Die Arbeitsplätze sind ausreichend weit voneinander entfernt. Niemand kommt ohne Anmeldung in unsere Büros. Wir haben zudem einen Empfangsraum für Besucher. Sie werden von Mitarbeitern*innen mit Maske empfangen. Hier stehen zwei Behälter mit Kugelschreibern. Benutzte Stifte werden desinfiziert. Unsere Türklinken am Eingang sind mit Kupferfolie beschichtet, die keimtötend wirkt. Unsere Türklinken werden regelmäßig nach Plan desinfiziert. Wir statten unsere Mitarbeiter mit Masken und Handschuhen aus. Für den Notfall halten wir MRSA-Kits vor, die der Ausstattung in Intensivstationen ähneln.

Jens Schäl: Bisher hatten wir keine Ansteckungen im Team. Eins ist aber auch klar: Wir könnten keine Covid-Patienten betreuen! In diesem Fall müssten wir auf das Gesundheitsamt verweisen. Auch eine 24-Stunden-Betreuuung könnten wir nicht leisten. Hier gibt es sicher wirtschaftlichere und bessere Alternativen. Da mischen wir uns nicht ein. Wir empfehlen hier gegebenenfalls Agenturen, mit denen andere Kunden schon gute Erfahrungen gemacht haben, sind aber mit diesen nicht verbunden.

Ulf Schäl: Wir sind allerdings in der Palliativbegleitung aktiv. Wir haben schon Kunden in ihren letzten Tagen und Stunden begleitet. Das ist ein Resultat unseres Konzeptes der Bezugspflege. Wenn Mitarbeiter und Betroffene dies wollen – und nur dann! – geschieht dies so. Es geht hier auch um die Unterstützung von Angehörigen in den letzten Wochen eines Menschen. Wenn wir in der Woche zwei bis drei Mal kommen, kann das für große Entlastung sorgen – zum Beispiel beim Einkauf oder bei Arztbesuchen. Einfach nur da zu sein, kann bereits eine große Entlastung sein.

pro Troisdorf-Fact Sheet lieber-zuhause GmbH

  • Gründung: 2015
  • Geschäftsführende Gesellschafter*innen: Elena, Jens und Ulf Schäl
  • Team: Drei Pflegedienstleiterinnen, mehr als 100 Beschäftigte im Außendienst – weit überwiegend weiblich. Das Unternehmen ist rund um die Woche 24 Stunden erreichbar. Mitarbeiter*innen sind über VPN auch im Homeoffice sicher vernetzt.
  • Unternehmenszweck: Grundpflege, hauswirtschaftliche Unterstützung
  • Kundenkreis: mehr als 300 Patienten in der Region Rhein-Sieg, Troisdorf, Siegburg, Sankt Augustin, teilweise Bonn.
  • Expansion: Ein weiterer Standort in der Bundesstadt Bonn ist geplant. Bundesweit ist ein Franchise-System geplant.

mehr

Karte

Karte wird geladen ...

Zum Aktivieren der Karte müssen Sie unten auf den "Akzeptieren"-Button" klicken. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter (Google Maps) übermittelt werden.

Breitengrad: 50.80856
Längengrad: 7.12456

Tags

Stadtteil

Sieglar